von: M6services & Marco Bötsch

September 2, 2023

Dear Mrs. Tokarczuk

Literaturmetropole, der Kolumne vierter Teil: Dear Mrs. Tokarczuk

Der Sommer hält mich in Atem. So etwas wie den „Literarischen Frühling“ oder den „Literarischen Herbst“ – das kenne ich nicht. Im Verlag Rotscheibe bringen wir Bücher im August heraus, wenn keiner aufpasst. Und lauern dann bis Oktober, wenn die Veranstaltungen und Büchertische die bunten Blätter zeitigen; die der Betrieb dann wieder für seine Naturlyrik missbrauchen kann.

Der Sommer hält mich in Atem. Bevor ich, rezyklend, mich wieder auf die Jahreszeiten beziehe – ich kenne mich nicht. Zumindest weiß ich nicht zu jeder Zeit, wer oder was ich bin. Marco Bötsch oder M6services? Was ist Äußerung des Privatmanns und was ist Kunstfigur? Was ist folgsames Staatssubjekt, das seinen Personalausweis auf eine neue Adresse kalibiriert? Was ist unverrückbar? Immer wieder, und das ist keine Schande, gibt es Verramschung und Makulatur.

Der Sommer hält mich in Atem. Leute, die aussehen wie die dudes von Suhrkamp, meinen, sie retten unser Zeitschriften-Genre. (Wir schrieben einmal von Diogenese – ist das jetzt Suhrkamphrenie?) I better make a couple coffee for my head, powfu. Außerdem liegt ein Teil meiner Scham begraben, irgendwo in einem Würzburger Bootshaus. Mein Vater macht sich bereits über mich lustig, selbst schwerhörig, ob ich denn nun bereits „Voll-Gehörloser“ sei; ein guter Freund fragt recht sensibilisiert, ob ich mein „indianisches Blut“ entdeckt hätte – dass das ganze eine Freakshow wird, das ist der Teil Scham, der sich noch nicht unter die Erde bringen lässt. Vielleicht meint Gaia es bald gut mit mir.

Zu floaten, zwischen der Deutschen Gebärdensprache und der Deutschen Schriftsprache, zwischen den Schulterklopfern, doch kaum ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Stummelhaufen zu Babel. Spart Euch das Herz auf insta, bestellt ein Buch bei uns … hoffentlich bekommt Ihr das querfinanziert. Sobald man die Schnauze voll hat, verzichtet es sich plötzlich leicht auf die gehypten Fetischartikel aus der Bondage-Abteilung. Kauft man die nicht ohnehin eher, um mitreden zu können?

Ich schreibe etwas an eine Person, die zumindest unerreichbar scheint – wenn Literatur wirklich verbindet, dann stellen wir uns vor, diese Person liest meinen kleinen Brief wirklich: „Dear Mrs. Tokarczuk, Your idea of ‚Liebevoller Erzähler‘ is fantastic! There is a young writer, very much looking up to You. Summer is stealing both our breaths – he will publish his first novel with Verlag Rotscheibe next spring. Which means I will work through fall and the ‚Literarischer Frühling‘. Rezyklend, but never recycling.“
– M.Bötsch/M6services, Hammelburg den 31. August 2023

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